Bossas Lindenstraßen-Annotationen
"Der 2. Hochzeitstag der Berta Griese" (721)
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Sendetag: Sonntag, 26.9.99
Spieltag: Donnerstag, 23.9.99
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Kurze Vorbemerkung
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Meine Anmerkungen beziehen sich auf eine schon länger zurückliegende
Folge. Dies erfordert größte Erinnerungsleistungen der geneigten
Leserschaft oder ein intensives Rückblickstudium.
Auch ist anzuerkennen, daß sich die hier noch bemängelte Folgen-
Qualität inzwischen verbessert hat.
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Kurzinhalt:
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- Berta hat kurz vor der geplanten Hochzeit einen schwachen Moment
mit Pedro auf der Auslegeware. Die Siesta Mexicana wird von Hajo
gestört. Berta bleibt auf dem Teppich, Hajo nicht. Hochzeit abgeblasen.
Oder ganz, ganz kurz:
Pedro in der Griese, Hajo in der Krise.
- Marcella und Giovanna verschaffen sich generalstabsmäßig
Zutritt zu Helgas Wohnung und sorgen für reichlich Verunordnung.
- Klaus kehrt zum Manne gereift aus dem Urlaub zurück, während Helga
nach Paris aufbricht, um sich dort um die zerbrochene Marion zu
kümmern.
Für einen ausführlichen Rückblick seht bitte:
http://www.lindenstrasse.de/demnaechst/archiv/721/rueck721.html
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Cliffhanger:
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- Hajo verlässt Bertas Wohnung. Berta - und wohl nur sie - glaubt,
dass Hajo nie mehr zurückkehren wird.
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Auflösung des letzten Cliffhangers:
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- Die Story (Käthe/Carsten/Felix/Frau Voigt) kam diesmal nicht vor.
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Erklärung des Folgentitels "Der 2. Hochzeitstag der Berta Griese":
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- Nach der ersten Hochzeit mit Gottlieb sollte dies Bertas zweite sein.
Die Verwendung des Begriffs "Hochzeitstag" spielte zudem auf Helgas
dritten Hochzeitstag mit Erich an.
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Wieder da:
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- Helgas Freundin Marlene. Zuletzt zugegen im Januar (Folge 685) als
sie Zweifel an Bennys Vaterschaft hegte.
(C) WDR - Foto verlinkt, nicht fest eingebunden
- Klaus ist zurück von seiner Interrail-Tour.
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Abspann/Darsteller:
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- Schade, dass es Jan in seinen Rückblicken nicht mehr erlebt hat:
Ahmet hat seinen Doktor-Titel nun endlich auch im Abspann. Sogar
das "med" wurde eingebaut, als Gag im falsch geschriebenen Vornamen:
"Dr. Ahmed Dagdelen".
- Dass Ahmet genannt wurde, obwohl er nicht zu sehen war, lag wohl daran
daß die Szene, in der sich Hajo von Ahmet behandeln ließ, einer
Aktualisierung geopfert wurde. Dass man aber die zentrale Figur
dieser Folge, nämlich Pedro (Daniel Rodriguez), im Abspann einfach
unter den Teppich kehrte, ist wirklich unverständlich.
- Der Standesbeamte (endlich mal wieder ein Bayer) wurde nicht genannt.
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Buch: Hans W. Geißendörfer
Regie: Claus Peter Witt
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Quote: 5,64 Mio, 24,4 Marktanteil
Abgesehen von einer Ausnahme ist die Quote das erste Mal seit
über einem Vierteljahr wieder über die 5-Millionen-Grenze geklettert.
(Oder um es mit HWG zu sagen: Der herausragende Sommer scheint
vorbei)
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Musik:
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- Joaquín Rodrigo:
Fantasía para un gentilhombre -
Españoleta y Fanfare de la Caballería de Nápoles
Da es angeblich die Musik war, die Berta so schwach werden ließ,
wollen wir uns dem Werk und dem Komponisten noch etwas widmen. Ein
Musikstück mit so umwerfender Wirkung ist ja selten.
Der Komponist Rodrigo, der dieses Jahr 97jährig verstarb, war
- wie Hajo - auch farbenblind, um nicht zu sagen, vollends blind.
Seine Musik notierte er in Brailleschrift. Berühmt machte ihn das
romantische Adagio (Hörprobe: WAV MP3) aus dem Concierto de Aranjuez,
auf das die Listra-Macher zugunsten des intimeren Adagios aus der
"Fantasie für einen Edelmann" (Hörprobe: WAV MP3) verzichteten.
Entgegen einiger Behauptungen war das zu hörende Stück keine
lateinamerikanische Musik, sondern spanischen Ursprungs und ist der barocken
Lautentradition nachempfunden.
DAS FAMILIENMINISTERIUM WARNT:
Der Genuss dieser Musik kann ihre Beziehung gefährden!
(Stücke zit. gem. 51, 63 UrhG., J. Rodrigo/Union Musical Española/Schott).
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Zitate:
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Hajo zu Berta: "Diese Lüge hast Du schon dreißigmal gelogen"
Hajo zu Berta: "Du redest noch mehr Stuß als die Leute in der schlechtesten
Fernsehserie. Deine Texte würden die nämlich wegschmeißen."
Isolde: "Vielleicht ist es ja irgendwie wichtig für Lindesntraßenhochzeiten,
daß beim ersten Mal überhaupt nichts geht."
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Maxl der Woche:
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- Ging diesmal an das Internet-Team, welches ohne entsprechende SPOILER-
Warnung vorab verriet, dass Berta fremdgehen würde.
Trotz fehlender Bitten von Kater Max ("Alex, Jochen, sacht doch mal was!")
keine Stellungnahme von offizieller Seite.
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Infos:
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- Marion hat einen Splitterbruch, ihr Freund Michel hat (mal wieder)
Schluss gemacht.
- Tanja befindet sich laut Ludwig auf Rhodos, (dies kann aber auch eine
Ausrede Ludwigs sein). In Wirklichkeit ist die Darstellerin Sybille
Waury junge Mutter. Hat ihr Kind so oft durch die Medien gerreicht,
daß sie am Ende nichtmal mehr weiß, ob es überhaupt noch ihrs ist,
nur die offizielle Seite durfte oder wollte nichts verlautbaren,
obwohl meiner Meinung nach zu Tanjas lang anhaltendem Off-Leben off-
izielle Erklärungen nötig gewesen wären, da Sybille auch öfter im
Abspann genannt wurde, ohne daß sie zu sehen war.
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Schmankerl:
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- Helga beim Frisieren im Salon. Köstlich wie ihr die Haare zu Berge
stehen. Dankenswerter Weise ist diese Szene in einem Rückblickfoto
festgehalten:
http://www.lindenstrasse.de/demnaechst/archiv/721/rueck721.html
(Dieses Foto gewährt übrigens auch Einblick bzw. Ausblick auf
eine (nur schemenhaft zu erkennende) Stellwand, die die Außenkulisse
der Lindenstraße simulieren soll. Im Gegensatz zum Reisebüro, das
real bespielbar ist und echte Blicke nach draußen erlaubt, ist
der Frislörsalon im Innern der Studiohalle aufgebaut.)
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Kommentare:
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- Nach wenigen Sätzen offenbarte sich die Folge wieder als
Geißendörferesque. Hajo schenkt Berta eine Kette und fragt sie,
ob sie ihr gefällt. Bertas Antwort: "Ich liebe sie schon jetzt."
Wer spricht denn so? Viele weitere, derartiger Beispiele. Und
dann noch die Story...
- Erneut positiv: HWG hält die Erinnerungen wach:
Er erinnert an Helgas dritten Hochzeitstag, daran, daß sich Berta
und Hajo schon sehr lange kennen, sogar Hajos Mutter fand ihren
Abnehmer: an der anderen Seite der Telefons in Form von Hajo, der
danach sichtlich gut aufgelegt war.
[Okay, nicht schlagen, ich halte es mit Harry Rowohlt, demzufolge
sich dereinst der Schrifsteller vor Gott für jeden ausgelassenen
Kalauer verantworten müsse.]
Es gab Neues von Marion, HWG wusste sogar noch den Namen ihres
langjährigen Freundes (Michel, seit 1995).
Auch Egon wurde erwähnt, wenngleich Elses Vorwurf, Egon sei immer ein
Feigling gewesen, unfair ist. Wer erinnert sich nicht daran, wie sich
Egon heldenhaft und hinterrücks für Isolde niederknüppeln ließ?
- Auch diesmal muss ich wieder eine öffentliche Äußerung HWGs auf-
greifen. Laut Mannheimer Morgen räumt HWG ein, dass man sich nach dem
Regierungswechsel mit Kritik am politischen Geschehen schwer getan habe,
da es eine gewisse Beißhemmung gäbe.
Fällt es wirklich nur schwer oder will man einfach nicht?
Wie sonst ist die Verteidigungsrede Hajos über Schröders Politik
zu verstehen?
Hajo:
"Hör doch du wenigstens auf über unsere Regierung zu hetzen.
Die raufen sich schon wieder zusammen, die brauchen nur etwas Zeit.
Wetten, dass die die Kurve kriegen!"
Gegen die Regierung zu wettern, scheint wirklich schwer zu fallen.
Oder sollte man das ganze als Gleichnis verstehen? HWG als Schröder
und Joachim Christian Huth als der Lafontaine der Lindenstraße?
Darf ich dann wenigstens an die Worte des DGB-Chefs (oder um
im Gleichnis zu bleiben: des Fangemeindenvorstands) erinnern:
"Man muss die Politik nicht besser erklären, sondern die Politik
muss besser werden."
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Was die Welt bewegte (Fan-Kommentare):
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- "unsäglich schlecht"
- "diese Folge machte auf einen Schlag alle Hoffnung zunichte"
- "Gebt mir bitte die Adresse, die Telefonnummer, ein Persönlichkeits-
und Bewegungsprofil dieses Drehbuchautores, da muss endlich etwas
getan werden..."
- "Gott, war das peinlich."
- "dusselige Dialoge und Situationen"
- "30 Minuten, ohne dass auch nur ansatzweise Spannung oder Anteilnahme
aufkam."
- "Der Zusammenstoß zwischen Else und dem PDFler demonstriert den
Totalausfall der Inszenierung. Geht's schlimmer?"
- "Eine schlechte Kopie des Slapsticks der Stummfilmzeit."
- "Mir fehlen die Worte"
- "dilletantisch"
- "Die Handlung war mies, wobei das noch eine Untertreibung ist."
- "Es gibt überall Grenzen. Diese Folge belehrt uns jedoch eines Besseren."
- "Keiner der Protagonisten würde so reden, wie die Dialoge es
vorschrieben"
- "Die Schauspieler wirkten unglaubwürdig und lustlos (die haben meiner
Meinung nach auch die Schnauze voll)"
- Wolf, der im Moment in den Vereinigten Emiraten von Amerika weilt:
"Wenn ich mir nicht die ganze Zeit wie in einer Wiederholung vor-
gekommen wäre, hätte mir die Folge fast gefallen.
Alles war schon mal da:
-- Schon wieder eine Berta die Hajo betrügt
-- Schon wieder einen Hajo der im Wohnzimmer zwei in flagranti erwischt
-- Schon wieder eine geplatzte Hochzeit (Helga/Erich & Helga/Erich)
-- Schon wieder eine geplatzte Hochzeit wegen Fremdgehens (Andy/Gaby)
-- Schon wieder ein zerschnittenes Hochzeitskleid (hat Gabi auch schon gemacht)
-- Schon wieder ein Hajo der Berta samt Kontrabass verlässt und
sicher kommt er die Woche darauf schon wieder zurück...
-- Schon wieder Liebe auf dem Teppich"
Es gab aber auch kritische Stimmen:
Okay, war ein Scherz. Gab es natürlich keine.
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Videotext-Untertitel:
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- Helga denkt, Onkel Franz hätte das Chaos in ihrer Wohnung veranstaltet.
Onkel Franz weiß natürlich von nichts.
Helga wirft ihm deswegen vor, er sei vergesslich und verkalkt.
Onkel Franz erwidert: "Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis!"
Zu hören war dieser Satz allerdings nicht, nur im Untertitel zu lesen.
Hat der Tonmeister Onkel Franz einfach abgeschnitten?
- Bei der aktuell reingenommenen Szene, (Hajo labert mit seiner Mutter
über Grafficker Andre Agassi und die Regierung), fehlten die Untertitel.
- Als Helga das Brautjungfernlied aus dem Freischütz vor sich hin singt,
wurde im Untertitel aus Kranz ein Tanz: "Schöner, grüner Jungferntanz."
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Vorschau des WDR:
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- In der schon Wochen vor der Ausstrahlung veröffentlichten Vorschau
gab es zwei kleinere Auffälligkeiten:
-- Zitat Vorschau:
"Auf Helga wartet eine Überraschung im Reisebüro: Erich hat ihr ein
Päckchen aus Irland geschickt."
Bei uns bekam Helga das Päckchen nicht im Reisebüro, sondern in
ihrer Wohnung, und irgendwie hatte Onkel Franz die Finger mit drin.
-- Zitat Vorschau:
"Seit zehn Jahren kennen und lieben sich Berta und Hajo."
Schwerlich. Hajo zog erst vor neun Jahren in die Lindenstraße.
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Fan-Orakel
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- Jan bereits im Juni:
Die Tatsache, dass es sich bei dem Hochzeitsdatum um einen Donnerstag
handelt, gibt Grund zur Annahme, dass die Festivität in der Tat
stattfinden oder aber zumindest auf dramatische Art und Weise
verhindert werden wird...
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Seltsames, Ungereimtheiten, Fehler, Fragen, Bemerkungen:
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- Else hat in letzter Zeit wieder etwas mehr Text.
- Urszula legt beim Stehempfang im Casarotti ihren Arm um Gungs Schulter.
(Bahnt sich da was an?)
- In einer unsäglichen Rattenfänger- und Anbiederungsszene erfahren wir
mehr über die Inhalte der Partei der "Patrioten für Deutschland":
"Patrioten für Deutschland ist keine gewöhnliche Rechtspartei,
sondern eher konserative Mitte - mit hohem Gehalt an Moral und Ehre."
In Wirklichkeit sind die Patrioten für Deutschland eine "skurile,
faschistische Politsekte". Bereits 1987 das erste Mal zur Bundestags-
wahl angetreten, firmieren sie inzwischen unter dem Namen "BürgerRECHTS-
bewegung Solidarität". Dass HWG für seine Altherrenriege, deren
politischen Ansätze regelmäßig durch Klamaukeinlagen und demonstrative
Tumbheit ad absurdum geführt werden, ausgerechnet den Namen einer
Organisation wählte, die unter anderem die Internierung von Aids-
Infizierten propagiert, finde ich unverständlich.
Satirische Absicht oder Gedankenlosigkeit?
- Die Bemerkung Ludwigs, dass Hajo und Berta so gut wie keine Bekannte
oder Verwandte haben, führt mich zu der Betrachtung, dass die
Lindenstraße ein Hort geschwisterloser Erwachsener ist. Hajo, Berta(*),
Anna, Hans, Gaby, Andy, Isolde, Rosi, Panaiotis, Helga, Erich, Kurt,
Eva, Urszula, Else, Olaf und Ludwig sind offenbar alles Einzelkinder.
(*) Bertas Bruder verstarb bereits 1942.
Und bei der Gelegenheit nochmal die Frage, deren Beantwortung so
kranke Leute wie Wolf und ich schon lange vergeblich harren:
Ist Vasily nun Einzelkind oder nicht? In Folge 9 äußerte sich Elena
dahingehend, daß sie schon 5 Entbindungen hinter sich hätte.
Später hieß es dann von Vasily, er sei der einzige Sohn. Und bei
Vasilys Hochzeit scheint er dann weder Brüder noch Schwestern zu
haben. Listra-Team, so gebet ein Zeichen und erlöstet uns von unseren
Leiden. Selts-Amen!
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GIOVANNA/MARCELLA
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- Giovanna und Marcella nervten hochgradig. Das war schlecht bei
Wilhelm Busch entlehnt, sogar das Schattenspiel der beiden hinter
versteckter Tür hatte kein eigenes Profil, zu sehr erinnerte
das Ins-Fäustchen-Lachen an Max und Moritz. Wenigstens kam Busch
ohne das dramaturgisch schon damals ausgereizte Nießen aus.
Das war alles so schlecht und unglaubwürdig, dass jedes weitere Wort
zuviel ist.
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HOCHZEIT
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*** VORFELD
- Ob Hajo nicht besser daran getan hätte, anstatt das völlig versaute
Hemd reinigen zu lassen, einfach ein anderes Hemd zu nehmen oder zu
kaufen?
- Da war ja auffallend wenig Streß im Hause Griese-Scholz.
Hajo kommt kurz vor der Trauung mit dem gereinigtem Hemd nach Hause,
ruft seinem Rehlein zu "Wir haben noch gaaaanz viel Zeit" während
sich Berta den Griffen eines Gitarristen hingibt und die Zeit ganz
vergessen zu haben scheint.
HWGs eigene Hochzeit scheint so weit zurückzuliegen, daß er vergessen
hat, daß solche Tage normalerweise etwas stressiger ablaufen. Oder
er hat Glück gehabt. Was wir ihm natürlich gönnen.
- Leider wurde kein Grund genannt, warum Hajos Mutter nicht kommt.
Kaum zu glauben, daß sie die Hochzeit ihres bisher noch unverheirateten
Sohn langweilig findet. Aber immerhin wurde gesagt, DASS sie nicht
kommt und damit war ja wohl allen gedient.
- Wieso wundert sich Helga darüber, daß sich Hajo und Berta eine
Hochzeit im Casarotti leisten können? Schließlich hatte Helga damals
auch im Casarotti gefeiert. Außerdem ist Isolde mit dem Brautpaar
befreundet. Daß aber ausgerechnet von Canans Vater die Erkenntnis
stammt, daß die Feier vielleicht ein Geschenk Isoldes ist, mag mir
nicht einleuchten.
- Berta und Helga unterhalten sich im Salon darüber, welchen Namen
Berta nach der Hochzeit tragen wird. Ich weiß nicht, was an Bertas
"Er ist Scholz. Und ich bin ... in der Krise" so witzig war, daß
der ganze Salon in Kichern ausbrach.
Da hätte man das "Ich bin in der Krise" auch vom - mit besudeltem
Hemd - hereinstürmenden Hajo hätte sagen lassen können.
- Anscheinend war Berta über den wahren Grund der Abwesenheit von Erich
nicht richtig informiert, spricht sie doch davon er sei "ein paar Tage
nicht mehr gesehen worden." Hätte da Helga nicht einhaken sollen?
Schließlich hatte Erich vor ein paar Wochen noch sein Kommen zur
Hochzeit angegekündigt und das Verwürfnis mit Helga ist so ein
großes Geheimnis nicht.
*** STANDESAMT
- Daß Pedro plötzlich vor der Tür steht, um sich nach dem zuständigen
Standesamt zu erkundigen, mag man als Vorwand noch durchgehen lassen,
Bertas Antwort (Standesamt Nymphenburger Straße) zeugt dann aber von
schlechter Recherche. Schon vor einiger Zeit wurden die Münchener
Standesämter zusammengeführt. Man kann sich nur noch in Schwabing
oder in der Ludwigsvorstadt trauen lassen.
Wenn man schon krampfhaft versucht, eine Serie in München spielen zu
lassen, und man zwei Dramaturginnen beschäftigt, sollte man vielleicht
ab und zu mal auf die Webseite der Stadt München, insbesondere des
Kreisverwaltungsreferat (Sammlungsbehörde, Standesamt) schauen, um
der vielbeschworenen Realitätsnahe wenigstens in den Dingen, die
nichts kosten, auch Taten folgen zu lassen.
Oder man hätte die Version wählen sollen, die man uns im offiziellen
Rückblick unterschob. Demnach erkundigte sich Pedro nicht nach dem
Standesamt, sondern nach der genauen Uhrzeit der Trauung. Nicht un-
plausibel.
- Anachronismus: Als Ludwig bei Hajo anruft, um nach dem Verbleib des
Brautpaars zu fragen, geht es auf dem Standesamt auf zwei Uhr zu,
während es bei Hajo gerade erst ein Uhr ist.
[Spitzfindigkeit: In München kann man sich donnerstags sowieso nur bis
11 Uhr 30 trauen lassen.]
*** FREMDGEHEN/DER AKT
- Das war ja alles sowas von unglaubwürdig, dass ich es keinem
erzählen kann. Muss es trotzdem tun:
- Wenn Berta - nach eigener Aussage - schon morgens viel zu nervös war,
um mit Hajo in die Kiste zu steigen, (in der sie schon lagen), wird sie
wohl so kurz vor der Fahrt zum Standesamt dazu auch keine Ruhe mehr
finden.
- Warum ausgerechnet in dieser letzten Stunde? Berta hatte zwei Wochen
Zeit, fremdzuliegen.
- Bertas Erklärung "Es war die Musik" mag wenig zu überzeugen. Die
Musik hatte sie bereits vor einer Woche öfters gehört. Sogar Hajo
hatte ihr das Thema auf seinem Kontrabaß vorgespielt, worauf Berta das
ganze herrlich und Hajo unschlagbar fand. Ohne, daß sie gleich taktlos
wurde.
- Aber vielleicht ist Pedro doch der besser Musiker. Obwohl er die
Gitarre ablegt, erklingt das Stück weiter, wächst sogar zu orchestralem
Klang heran.
- Hajo führt beim Betreten der Wohnung ellenlange Selbstgespräche,
(typisches Film-Klischee!) ruft sogar laut nach Berta und trotzdem
bemerken ihn Berta und Pedro erst als er im Wohnzimmer steht.
- Witzig, sich später nochmal einen Dialog in Erinnerung zu rufen,
der zwischen Berta und Hajo anfangs der Folge stattfand:
Hajo: "Mein Rehlein ist das allerwichtigste im Leben."
Berta: "Aber ein bisschen Egoismus darf sein."
Ahnte da Berta schon, was sie sich später gönnen würde?
- Auf dem Teppich den Coitus Interruptus zu praktizieren, scheint in der
Lindenstraße eine bevorzugte Praxis des Sexualaktes zu sein, wie folgendes
Szenenfoto belegt:
(C) WDR - Foto verlinkt, nicht fest eingebunden
*** DANACH
- Schön war, dass die vorher romantische Gitarrenmusik nach der
Inflagrantierung stark mollig und düster umgestaltet wurde.
- Berta zerreißt ihr Dreitausendmarks-Kleid. Oder war es nur der
Unterrock? War leider nicht genau zu erkennen. Wir hatten schon mal
den Fall, dass ein Hochzeitskleid zerschnitten wurde:
In Folge 310 erwischt Gaby - kurz vor der geplanten Hochzeit - ihren
Andy in inniger Umarmung mit Rita und gab Edward mit den Scherenhänden.
Da sich HWG um die Tradition schert, wird es wohl auch diesmal das
Hochzeitskleid gewesen sein.
- Drehbuchfehler oder schwere Identitätskrise? Hajo will Berta aus
*seiner* Wohnung werfen.
- Als Hajo die Wohnung verlässt, sagt er zu Berta:
"Nenn mir einen Grund, warum ich zurückkommen sollte"
Man wartet auf den Cliff und eine passende Bemerkung, aber es gibt
nichts dergleichen. Jedenfalls bin ich froh, dass uns ein weiteres
"Aber ich bin doch schwanger" erspart blieb.
- Nette Selbstironie! Hajo zu Berta (Siehe auch "Zitate"):
"Du redest noch mehr Stuss als die Leute in der schlechtesten
Fernsehserie. Deine Texte würden die doch wegschmeissen, genauso
wie ich."
- Auch nicht schlecht: Bertas morgendliche Vorstellung vom
Verheiratetsein:
"Man kann dann nicht mehr weglaufen. Man muss den Dingen immer auf
den Grund gehen."
Daß sie sich - als Hajo bockt - so schnell darauf würde berufen
können, hätte wohl keiner gedacht. Insofern war HWGs Drehbuch an
dieser Stelle genial, nur wird es keiner bemerkt haben.
*** CASAROTTI
- Dafür, dass Berta und Hajo so gut wie keine Bekannte haben,
waren doch ganz schön viele Gäste im Casarotti. (Komischerweise
fehlten die einzigen Bekannten, die wir von Hajo kennen, nämlich
Bolle und Rolf.)
- Berta und Hajo sind überfällig, dennoch reagiert - außer Fausto,
Lu und Isolde - keiner der Gäste im Casarotti auf die hereintretende
Berta. Kein "Hallo", kein Nachfragen ob der legeren Kleidung oder
der sichtlichen Verwirrung. Man hält sich am Sektkelch fest und
smalltalkt weiter, als wenn man bezahlter Statist wäre und kein
Hochzeitsgast von Berta und Hajo.
- Wieso spekulieren Isolde und Ludwig ewig über den Grund der Hochzeits-
absage? Berta hatte mit Hajos Verletzung einen plausiblen Grund genannt.
- Hans ist auf der Hochzeit bestens gelaunt, während Helga voller Panik
nach Paris aufbricht. Das geht nicht zusammen. (Helga hatte im
Casarotti abgesagt, deswegen ist wohl anzunehmen, daß Hans Bescheid
wußte).
- Berta hat im Casarotti wieder ihre normale Frisur, dabei war sie
doch extra beim Frisör gewesen.
- Zum Wegschmeissen, Fausto mit seiner Fausto-Kappe.
- Auch nicht ohne, die Blicke zwischen Berta und Pedro. Aber dass sich
Pedro überhaupt hat blicken lassen... Fast so unglaubwürdig wie dass
sich Berta hat...
*** HOCHZEITSÜBERRASCHUNG
Unserem lieben Wolf verdanken wir den Hinweis, daß Berta bereits einmal
einen Liebhaber hatte. In Folge 19 erzählt sie von Lover Felix, der
seit einem Flugzeugabsturz im Jahre 1956 verschollen ist. Da dieser Felix
nach dem Absturz noch lebend gesehen wurde, spekulierte nun Wolf
darauf, daß dieser verschollene Liebhaber plötzlich auftauchen und
die Hochzeit zum Platzen bringen könne. Dem war nicht so, es wäre
vielleicht auch des Schlechten zuviel gewesen.
Aber Wolfs Hinweis mag in anderer Hinsicht bedeutend sein:
Bertas Liebhaber ist nämlich über dem MEXIKANISCHEN Dschungel abgestürzt!
Somit haben wir endlich eine plausible Erklärung für Bertas Fehltritt.
Es war traumatisch-latente, mexiko-assozierte Liebessehnsucht. Sigmund
hätte seine Freud dran, nur hätte man dem Zuschauer vielleicht in den
letzten 700 Folgen diesen verschollenen Liebhaber ab und zu nochmal in
Erinnerung rufen sollen.
Okay, Scherz beiseite. Ich weiß, es ist unfair. Bei GZSZ denkt niemand
länger als zwei Wochen zurück, aber wir zerren Dinge ans Licht, die bis
zu zehn Jahre zurückliegen. Darauf kann HWG natürlich auch stolz sein.
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BEIMERS
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- Der Hochzeitstag von Helga und Erich war nicht - wie von von Onkel
Franz behauptet - am Vortag, sondern bereits 4 Tage zuvor. Sowieso
seltsam, dass Onkel Franz überhaupt etwas von dem Tag weiß.
- Wenn Erich sowieso vorgehabt hatte, zu Hajos Hochzeit zu kommen,
wieso tut er es dann nicht? Hätte er doch die Gelegenheit zu einer
Versöhnung mit Helga nutzen können. Stattdessen schickt er eine
- vermutlich wertvolle - Kette mit der Post!
(Oder wurde uns da vielleicht etwas vorenthalten, schließlich stimmen
die gezeigten Szenen nicht mit denen der Vorschau überein.)
- Wieso wundert sich Helga so sehr über Klausis Rückkehr aus dem Urlaub?
Ein Interrail-Ticket gilt einen Monat und der war vorbei.
Klaus hätte ich sowie was erzählt. Bringt in zwei Wochen die tele-
grafisch angewiesenen 1000 (in Zahlen: 1000!) Mark durch und weigert
sich mit der Ausrede, er müsse studieren, im Reisebüro auszuhelfen.
Dabei weiß jeder, dass das Semester erst einen Monat später und die
Vorlesungen erst zwei Monate später beginnen.
- Leidet nicht Helga an Verkalkung, wenn sie tatsächlich
glaubt, das Onkel Franz das Chaos in der Wohnung verursacht hat?
*** MARION/HELGA ***
- Marions Anruf war seltsam. Marion ist doch sonst nicht so auf
mütterliche Unterstützung bedacht. (Siehe Cliff der Folge 1).
Ich würde meine Mutter nicht mal anrufen, wenn ich gestorben wäre
und so schätze ich auch Marion ein.
- Ebenso seltsam ist Helgas Reaktion. Zwei, drei Jahre hören wir
nichts von Marion - bis auf die stümperhafte Ankündigung des Themas
in einer der letzten Folgen - und dann läßt Helga gleich alles stehen
und liegen, sogar die gerade erst übernommene Firma.
(Ich warte ja immer noch darauf, daß irgendwas mit Canans Prokura
passiert).
- Seltsam auch die völlig überstürzte Helga. Sie verspricht,
den Abendzug zu nehmen, bricht auch sofort auf, läuft aber dann
Stunden später immer noch in der Lindenstraße herum. Und überhaupt
Abendzug. Sollte der abends losfahren oder abends ankommen? Nachtzug
wäre die passendere Bezeichnung gewesen. Aber lassen wir Helga einfach
mal losfahren. In Paris wird sie dann merken, daß sie weder weiß, in
welchem Krankenhaus Marion liegt, noch welche Telefonnummer sie hat.
(Ansonsten war es aber schon erstaunlich, was Marion in diesem keine
Minute dauernden Gespräch alles untergebracht hat.)
- Marions Anruf erfolgte gegen ein Uhr. Helga bricht sofort auf, um
Klaus in der WG aufzusuchen. Zwei Stunden später findet sie Klausi
dann im Reisebüro und sagt: "Ach hier bist Du, ich war gerade in der WG"
Äh, war Helga in einem Zeitloch gefangen?
- Seltsam auch Klausis Reaktion, er fragt nicht mal nach, was mit Marion
ist und Helga erzählt auch erstmal nichts, dabei war das für sie doch
das alles beherrschende Thema.
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Fazit
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- Dieses Drehbuch war schlecht UND es war von HWG. So lasset alle Hoffnung
fahren. Nach all der Kritik der letzten Zeit hätte man wahrlich etwas
anderes als Zeichen des Goodwills erwarten dürfen.
Bossa Nossek
nossek@creatures.org
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Nachlese
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- In Folge 304 wurde schon mal versucht, auf das Akropolis einen Kredit
aufzunehmen. Damals waren mehr als 40.000 Mark nicht drin. Warum gab es
diesmal (Folge 719) 100.000 Mark?
- Alaskamaus hat sich mit einem Fotoapparat bewaffnet und auf die
Suche nach dem Parkhaus gemacht, von dessen Dach Valerie in Folge 713
herunterstürzen wollte. Wie vermutet begab sich Valerie für ihren
Todessprung doch tatsächlich bis nach Köln.
Vielen Dank an Alaskamaus, großartige Fotos!
An dieser verräterischen Bierreklame kam Valerie vorbei.
Außenansicht Parkhaus Hohenzollernring
Innenansicht. An diesem Schild mit dem Namen des Parkhauses lief Valerie vorbei.
-%-
[Release 1.0]