Bossas Lindenstraßen-Annotationen
Bossas Lindenstraßen-Annotationen
"Fremde Sprachen" (717)
Sendetag: Sonntag, 29.8.99
Spieltag: Donnerstag, 26.8.99
Kurzinhalt:
- Helga und Erich wollen nach Irland übersiedeln.
Onkel Franz & Co dagegen in die Lindenstraße ein- bis dreisiedeln.
- Frau Birkhahn und Rosi japsen durchs Allgäu.
- John taucht mit einem originellen Anliegen in der Lindenstraße auf:
Er braucht Geld für sein Volk.
Für einen ausführlichen Rückblick seht bitte:
http://www.lindenstrasse.de/demnaechst/archiv/717/rueck717.html
Cliffhanger:
- John fordert von Mary als Einsatz für ihr Volk, Drogen zu
verkaufen. 2 Kilo Heroin und Mary als Heroin?
Auflösung des letzten Cliffhangers:
- Helga hat sich auf Erich eingelassen und will ihm nach Irland
folgen.
Erklärung des Folgentitels "Fremde Sprachen":
- Frau Birkhahn und Rosi überwinden Barrieren in den japanischen
Sprachraum mal drastisch (Aus-dem-Sitz-Zerr) mal
plastisch-elastisch (Wackelpudding).
Wieder da:
- John Brisibe, bereits einmal kurz in Folge 527 zu sehen,
damals noch nachnamenslos, gespielt von Kevin Benjamin.
Diesmal dargestellt von Victor Power.
Darsteller/Figuren:
- Hitzeroth als Reporter im Einsatz für Mary
- 2 ungenannt bleiben wollende Japaner, einer namens Oguri.
Abspann:
- Gabi genannt, kam aber nicht vor.
- Zeki und Larissa nicht genannt.
Buch: Joachim Friedmann
Regie: Claus Peter Witt
Quote: 4,58 Millionen, 24,2% Martkanteil
(Schlechteste Quote der letzten vier Wochen. Ich sag's nur,
weil die Lindenstraße ja unaufhaltsam auf klarem Erfolgskurs
steuert.)
Musik:
- Leichte Abwandlung von Greensleeves quasi als Erich's Irish Theme.
- ansonsten die bekannte griechische Musik im Akropolis
Infos:
- Hajo bestätigt Hochzeit mit Berta in vier Wochen.
Erich verspricht zu kommen.
- Klaus begibt sich zum Surfen ins Interrail.
Schmankerl:
- Mary mit Witwe-Bolte-Kopftuch.
- Frau Birkhahn zu Rosi, als ein Japaner etwas auf englisch sagt:
"Sie müssen das doch verstehen, in Ihrem Haus wohnt doch ein
Japaner!"
Kommentare:
- Zwei Dinge standen diesmal an. Das dritte, dass Helga mit Erich
nach Irland geht, glaubt sowieso keiner, zu sehr nahm Erichs
Petz-Brief an Maja in den letzten Wochen Zaunpfahlformat an.
(Was für eine Briefmarke klebt man dadrauf?)
- Die beiden anderen Dinge waren sehr unerfreulich:
-- Rosi und Birkhahn in einem schlechten Heinz-Becker-Verschnitt
bedienten alle erdenklichen, vorhersehbaren Gags, die aus
diesem Grund keine mehr waren und die Darstellung der Japaner
in der Klischee-Vollversion wirft die Frage auf, ob der Autor
Joachim Friedmann seiner Japanologie studierenden Lebensgefährtin
noch unter die Augen treten kann.
Die Genrewanderungen der letzten Zeit (Comedy, Slapstick, Action)
führen zu einer Gratwanderung an derem Ende der Absturz steht,
falls dieser nicht schon eingetroffen ist.
-- Ein Drogenschmuggler mit Heroin im Schwarzmarktwert von 150.000 DM
hat kein Geld für Essen, kein Geld fürs Taxi und läuft mal so
eben von Nürnberg nach München, weil er im Zug Angst vor Polizei-
kontrollen hat. Wer soll das glauben? Wieso hat John das Heroin
nicht in Afrika oder spätestens in Rotterdam verkauft?
Was will er überhaupt in der Lindenstraße? Glaubt John allen Ernstes
daß Mary besser mit Drogen dealt als er? Die ganze Wiederaufer-
stehung Johns ist eine Farce. Da wird krampfhaft versucht, ein
bißchen Handlung zu bekommen, um die Folgen voll zu kriegen,
aber nach Logik der Story oder Motivation der Protagonisten darf
man nicht fragen.
Schlimmschade, daß dabei die gutgemeinte Ogoni-Thematik vollends
in den Sand gesetzt wurde. Ab und zu werden ein paar zusammenhang-
lose Statements eingebaut, aber letztlich weiß kein Mensch,
worum's eigentlich geht. In der dargereichten Form umschifft das
Thema geschickt unsere Allerwertesten, wozu die vielen Unlogismen,
Verwirrungen oder Albernheiten ihr Übriges tun.
Ein paar Tage nach Ausstrahlung dieser Folge gab es vom WDR (!)
einen Bericht über das Schicksal von Ken Saro-Wiwa und die Ogonis,
der in einer halben Stunden mehr Betroffenheit, Aufklärung und
Information vermittelte als die Lindenstraße in all den Jahren.
Und all dies ohne erhobenen Zeigefinger.
Was die Welt bewegte (Fan-Kommentare):
- Das Problem ist, die letzte Folge war so schlecht,
dass es sich wirklich nicht lohnt, drueber zu reden.
[MitChI]
- Noch eine in der Qualitaet und ich hab in Zukunft sonntags 18.40 h
was anderes vor...
[halea]
- Ich dachte, ich bin im Kinderfernsehen.
Wackel, wackel wackel, hahaha, wackel.
[Inspektor]
- Ich fand die Szene mit Frau Birkhahn und dem Wackelwackel
ausgesprochen peinlich. Sollte das lustig sein? Und dabei hab ich
soo viel Humor!
[mechti]
- Selbst wo ich das nur alle paar Wochen mal sehe, immer der gleiche
unsinnige Müll.
[Wurzel]
- Rosi und Frau Birkhahn ... das war schlimmer als ein Diavortrag bei
meinen Eltern...
[Krolock]
- Wer dealt denn schon rum um Geld für ANDERE zu bekommen????
Und warum verkauft er es ausgerechnet im drogenfeindlichen
Deutschland? Verstehe ich nicht...
[Krolock]
- Können wir nicht mal ab und an ein Klischee auslassen?
[Krolock]
- Warum gucken wir eigentlich die Lindenstrasse? Nur, weil wir an sie
gewoehnt sind. Wer da so aus dem Stegreif hineinschaut
(ein Freund von mir gestern), faengt sofort an zu laestern.
[Jenny]
- Mannnn jetzt lande ich auch auf dieser City-Express-Seite
[Wolf]
- [Mitchis John-Report im Chat-Stil:]
John und Mary frueher schon mal *bussibussi*.
Dann *knueppelknueppel* Polizei. War Schluss mit *bussibussi*,
denn Polzei sagen *dunixausweiswirdichausweis*.
Damals wir alle *ganzdollmitleidhab*.
Dann Mary *ganzdollliebhab* mit Vasily, wir alle *freuganzdoll*
und Vasily *Marywiederaufricht*. Flitscherl Mary aber
John *ganzliebintimbussigeb*. Nun ploetzlich John
*wiederdasei*. Vasily und Mary *Augenaufreiss*, weil
plötzlich andere John. Sagt zumindest Buch von Huth,
aber Huth und HWG nix mehr *ganzdollliebhab*. Deswegen
Huth jetzt *winkewinke*.
Videotext-Untertitel:
- In Hinblick auf die Computer-Spende hieß es gesprochen:
"Wenn es den Leuten da unten hilft..."
Im Untertitel wurde "da unten" zu Nigeria, obwohl die Geräte laut
Mary ins Büro nach Porto Novo, also in den Benin, gehen sollten.
- Seltsam: fast alle Szenen in denen John auftrat, waren nicht
untertitelt. So zum Beispiel das Gespräch zwischen Larissa und
Paolo im Akropolis, bevor John überhaupt die Bildfläche betrat.
Warum?
Diese Szenen werden ja wohl kaum nachträglich reingenommen worden
sein.
Rückblick des WDR:
- Dort heißt es:
"Canan schlägt Helga vor, das Reisebüro alleine oder mit Klaus'
Hilfe zu leiten."
Das muß mir wohl irgendwie entgangen sein.
Seltsames, Ungereimtheiten, Fehler, Fragen, Bemerkungen:
- Die Folge fing wieder mit einer Morgenszene bei Beimer-Schiller an.
Ist inzwischen so etwas wie ein Erkennungszeichen. Noch zwei,
drei Mal und HWG wird es in seiner Kolumne als Kult präsentieren.
- Bei einer Zugreise ins Allgäu gelangt man nicht nach
Lindau am Bodensee, indem man einfach sitzen bleibt. Zumindest
gibt es keine entsprechende Inter-Regio-Verbindung. Schon gar
nicht von der Strecke nach Oberstdorf aus.
(Die Strecke ergibt sich aus der Erwähnung des Großen Grottenkopfs).
- Wenn Rosi und Frau Birkhahn morgens von Andy zum Bahnhof gebracht
werden, warum spielen dann die Zug-Szenen nachmittags um halb vier?
- Ansonsten waren die Zug-Szenen sehr ordentlich abgedreht. Die
Kollegen vom City-Express hätten sich nicht Straub und Borger,
sondern ein Beispiel nehmen sollen.
Stattdessen manipulieren sie vor lauter Frust den Nameserver des
WDRs, so dass Besucher der Lindenstrassen-Seiten beim City-Express
landen.
- Der Herr, auf dessen Schoß Frau Birkhahn während der Zugfahrt
landete, hatte Ähnlichkeit mit dem Regisseur der Folge (Claus Peter
Witt). Leider war zu wenig zu sehen, um es mit Gewissheit sagen zu
können. Vermutlich war er es nicht, es wäre aber nett gewesen.
- Rosi und Frau Birkhahn streiten sich im Fremdenzimmer darum, daß
die jeweils andere das rechte Bett bekommen soll. Dabei
verwechseln sie aber die ganze Zeit rechts und links. Sprich:
gnadenlos das Drehbuch runtergebrabbelt ohne einen Blick auf die
Kulisse zu werfen.
- Vasily hat ein neues Auto: einen Renault Mégane Grandtour.
Listenpreis: um die 30.000 Mark.
Anscheinend läuft das Akropolis ganz gut.
Aber wieso hat Mary nicht ihr Veto eingelegt hat, sie hätte für
das Geld doch offensichtlich eine bessere Verwendung gehabt?
Seit Wochen quält man uns thematisch mit Geld für die
Ogonis. Und dann steht von einer Folge auf die nächste, ohne
Erläuterung, ohne Diskussion - quasi deus ex machina - ein Neuwagen
vor Marys Tür. Das ist etwas unsensensibel gegenüber den Zuschauern.
(Oder handelt es sich um eine Spende von Til Schweiger?)
Noch unsensibler ist allerdings, dass auf der Heckklappe des Autos,
wie bei Renault aufgrund eines Kooperationsvertrages üblich, ein
Aufkleber des Ölkönzern "elf" prang(er)t. Elf-Aquitaine gehört zum
nigerianischen Ölförderkonsortium unter der Führung von Shell!!
Das ganze ist doch spätestens seit der Versteigerung nur noch
eine Farce.
- Gut: Chromos Mann, der sich um die Luftverschickung der Computer-
Anlage kümmern wollte, hatte bereits früher am Flughafen München
gearbeitet.
- Prinzipiell gut: Ein Trupp Maler speist mittags im Akropolis. Schade
aber, dass die dazu passenden Renovierungsarbeiten in der Kastanien-
straße nicht im Bild zu sehen waren. Und das, obwohl laut HWG die
Explosion im Reisebüro so stark war, dass die Fassade der umgebenden
Häuserzeile gleich mit renoviert werden muss. Wochenlang sieht man
durch die Spycam ein Gerüst, aber anscheinend darf es nicht auf
Sendung gehen.
Vermutlich weil es dann im Abspann genannt werden muss:
GERÜST - ChryslerDaimler (Rüstungskonzern)
VERHÜLLUNG - Christo
- Gefallen haben auch die Fallen, die dem Zuschauer erneut gestellt
wurden. (Ich erinnere nur an Helga in der letzten Folge:
"Aber dass ich jetzt ins Gefängnis muss... [lange Pause]
... um Lea zu sehen.")
Diesmal Huelsch zu Helga wegen der Wohnung:
"Es gab ja auch nie Klagen".
Die halbe Lindennation, (die, die nicht was anderes guckt) schreit
natürlich auf:
"Und was war damals mit dem Abfluss?",
um sogleich Huelsch als externen Reflexionsreflektor der
eigenen Besserwisserei vernehmen zu müssen:
"Außer wenn der Ausguss mal verstopft war".
Oder als Huelsch nießend und taschentüchelnd erklärt, er werde
künftig die Kastanienstraße meiden wie die Pest. Da denkt doch
die eine Hälfte der Zuschauer sofort an allergische Reaktionen
auf Kastanienblüten. Und während die andere Hälfte gar nicht
daran denkt, sich was zu denken, spaltet sich die erste Hälfte
erneut in zwei Teile: die eine, die weiß, dass gerade keine
Kastanienblütenzeit ist und die andere, die sich daran erinnert,
dass Huelsch gegen Lindenpollen und nicht gegen Kastanienblueten
algerisch ist. Aber bevor noch die zwei Hälften, die zusammen kein
Ganzes ergeben, die ersten Mails an Bossa schicken können, klärt
Huelsch schon auf: "Das ist wie ein Spießrutenlauf. Alle beschweren
sich wegen diesem (!) gräßlichen Gerüst."
Im Ansatz geschickt war auch der Beginn von Helgas Mietverhältnis:
2.5.1976. Da fragt man sich doch zunächst:
Hä? Wieso zweiter und nicht erster? Ach so, erster Mai ist ja
Feiertag.
Nur, dass dann der 2. Mai 1976 ein Sonntag war, war für mich der
Schönheitsfleck auf dem i.
- Die nachträglich reingenommene Szene mit aktuellem Erdbeben-Bezug
(wie schnell doch sieben Folgen vergehen) war einigermassen
überzeugend, obwohl sie natürlich durch den anderen Tonklang
sehr auffällig war und im Prinzip eine Woche zu spät kam.
Obwohl man sich mit dem Anschluß viel Mühe gegeben
hat, gab es meines Erachtens zwei kleinere Fehler:
Zum einem verabschiedet sich Canan beim Verlassen der Wohnung von
Helga in Richtung Schlafzimmer und nicht in Richtung Küche und Erich
nennt Canan auf einmal "Fräulein Dagdelen", obwohl er sie beim
Frühstück noch mit "Frau Dagdelen" angeredet hatte. (Was seltsam
genug war, nannte er sie früher nicht einfach beim Vornamen?)
- Seltsame Angleichungen:
Huelsch wird Hans von Gestik und Sprache immer ähnlicher und Elena
in der Küchendurchreiche hatte was von Else.
- John wäre der letzte, der den Schwarzmarktwert des Heroins ermitteln
und in D-Mark umrechnen würde.
- John fragt Mary, ob sie Vasily alles von ihrem damaligen Treffen in
Porto Novo (Benin) erzählt hat. Mary erzählte aber damals von dem
Treffen, als wenn es in Nigeria stattgefunden hätte.
(Zitate aus Folge 697: "Es war alles so wie früher... Die Sonne, die
Farben, der Markt... Die Frauen in Nigeria wären froh,...")
Leider überstrapazieren widersprüchliche Angaben und falsche
Untertitel seit Monaten das Verständnis des Zuschauers. Wäre nett,
wenn man das endlich mal in den Griff bekommen würde.
- Mary soll diesen John einmal geliebt haben?
- Ist Helgas Aussage, bis Weihnachten sei es noch ein halbes Jahr, so
vom Autor gewollt oder ist sie ein Indiz für die verspätete Aus-
strahlung der Szene? Es gab in letzter Zeit einige Anachronismen,
insbesondere wurde Leas Geburtstag ein bis zwei Monate zu spät
gefeiert. Sollte die ganze Helga-Erich-Lea-Thematik bereits vor
einigen Monaten spielen? Das würde auch erklären, dass das ganze
unsäglich in die Länge gezogen scheint.
Wir werden es wohl nie kapieren äh erfahren.
- Was soll denn das mit der Abstandssumme für das Reisebuero, wo es
doch in Schutt und Asche liegt?
- Auch nicht kapiert habe ich die Sache mit der Verrechnung der
Mietsumme für die nächsten Monate mit dem Erlös für das Reisebüro,
die Huelsch ansprach.
Verrechnen kann man doch nur - gegenseitig - eigene Ansprüche mit
den Ansprüchen der Gegenseite. Was aber hat Hülsch mit dem Reisebüro
zu kriegen?
Und was will Helga in Hinblick auf das Reisebüro verkaufen?
Die Räumlichkeiten waren angemietet, und mit der Inventar-Asche
wird sie sich kaum die Taschen füllen können.
Der Vermieter ist meines Wissens immer noch Herr Bruck (damals
recht nett gespielt von Herbert Meurer). Huelsch hat in der
Kastanienstrasse nur die Verwaltung des Besitzes von Herrn Bayer
(Erfinder des gleichnamigen Cafes) übernommen.
(Kater Max, warst Du das, die fragte, ob Helga Inhaberin des
Reisebüros ist? In Folge 611 klebt am PC-Monitor von Erich eine
Visitenkarte, darauf steht:
"Ehrlich Reisen - Inhaberin: Helga Beimer")
- Seltsamer Gesinnungswandel von Huelsch. Vor ein paar Monaten
haben ihn Kündigungsfristen (siehe Urszulas Auszug) überhaupt nicht
interessiert. Die Nachmieter standen Schlange. Und nun stellt er
sich an wie der Besitzer einer Synagoge in Teheran.
Aber natürlich: nach kurzem Geplänkel geht dann doch alles klar,
ganz im Sinne der gewünschten Dramaturgie. Dabei sind in der Praxis
gesetzliche Kündigungszeiten wie im vorliegenden Fall von einem Jahr
ein wirkliches Problem. Mit diesem Thema hätte man sich durchaus
eingehender beschäftigen können.
- Helga gibt an, dass sie in Irland Klaus und Marion sehr vermissen
werde. Nun ja. Helga wird Marion in Irland bestimmt genau so oft
sehen wie in München.
Fazit:
- Nicht nur "Fremde Sprachen", für mich tun sich langsam fremde
Welten auf.
Bossa Nossek
nossek@creatures.org
-%-
[Release 1.2]