Bossas Lindenstraßen-Annotationen

Bossas Lindenstraßen-Annotationen

"Der General" (720)


Sendetag: Sonntag, 19.9.99
Spieltag: Donnerstag, 16.9.99

Kurzinhalt:
- Hajo und Berta haben für eine Woche die Mexikaner aufgenommen,
  diese verabschieden sich dann aber im Laufe des Tages. Berta
  präsentiert Hajo ihr Hochzeitskleid, welches bei Hajo aber nicht
  so viel Anklang findet wie bei Pedro.
- Premiere in Käthes Kindertheater. Sorgen bei Frau Vogt, ihre Tochter
  Leonie ist an AIDS erkrankt. Carsten und Käthe nehmen kurzzeitig
  Frau Vogts Enkel Felix bei sich auf.
- Marcella und Giovanna entwenden Else einen Generalschlüssel für
  die Wohnungen in Haus Nr. 3 und lassen eine Kopie anfertigen.

Für einen ausführlichen Rückblick seht bitte:
http://www.lindenstrasse.de/demnaechst/archiv/720/rueck720.html

Cliffhanger:
- Sind da die letzten Szenen falsch geschnitten worden? Im Prinzip
  gab es keinen Cliff. Felix sitzt vor dem Fernseher, es klingelt
  und er hofft, dass es nicht seine Oma ist. *Schlussmusik*
  Die für Carsten wirklich bange Frage, ob auch Felix den AIDS-Virus 
  trägt, wurde bereits eine Einstellung vorher gestellt. (Die Frage ist
  für mich aber auch nicht nachvollziehbar. Wieso sollte sich Felix bei 
  seiner Mutter angesteckt haben? Da wird wohl ein neuer Handlungs-
  strang mit der Dramaturgenkeule vorbereitet.)

Auflösung des letzten Cliffhangers: 
- Berta und Hajo haben der vielköpfigen Mexikanerhydra nicht nur 
  Einlass, sondern auch Unterschlupf gewährt. Sie nächtigen mit 
  Schlafsäcken in der Küche und halten zu Hajos Leidwesen das Klo 
  "besetzt".

Erklärung des Folgentitels "Der General": 
- Bezog sich auf den Generalschlüssel, den Else für die Wohnungen
  in der Lindenstraße besitzt.

Wieder da:
- Frau Vogt (Dorothea Walda). Half zuletzt im November 98 (Folge 677)
  bei Käthes Einzug. Sprach damals bereits von ihrem Enkel (geschickt,
  geschickt). Allerdings hieß sie damals noch "Voigt" (mit "i"), aber 
  Namen sind in der Lindenstraße mittlerweile eh nur noch Schall und 
  Rauch, siehe Heiko (mal "Quant", mal "Quandt") oder Geißendörfer, der
  im Rahmen der Rechtschreibreform neuerdings von den Presseorganen 
  nur noch - doppelt falsch - "Geissendörfer" genannt wird.

Darsteller:
- Felix Vogt: Marc-Oliver Moro
- Mexikanische Musikgruppe: Mariachi Acapulco
  Im Web dokumentierter Einsatz der Truppe:
  

Abspann:
- "Mariachi" im Abspann zweimal fälschlich "Mariatchi" geschrieben.
- Der erfreuliche Trend zur Nennung der Kinderdarsteller hält an. 
  Diesmal erstmalig genannt: Karoline Dubberstein (Irina)
 
Buch:  Hans W. Geißendörfer
Regie: Claus Peter Witt

Quote: 
- 4,82 Mio. 22,0% Martkanteil
  Nähert sich so langsam wieder den 5 Millionen. Und eins muss man
  natürlich auch mal sehen: die Lindenstraße befindet sich stets
  unter den Quoten-Top-15 einer Woche. Bei mittlerweile 5000 Sendungen 
  die dabei über die diversen Sender gehen, sicherlich eine Leistung.

Musik:
- Tic, Tac, Toe: "Ich wär so gern so blöd wie Du"
- Fantastischen Vier: "Mfg" 
- Absolute Beginner: "Liebes Lied"
  Auch wenn die Stücke zwischen einem halben und zwei Jahren alt
  waren, so peppten sie die Giovanna-Marcella-Szenen auf und wirkten 
  als Teenie-Musik glaubhaft. (Hab im Sommer noch selber ein paar
  davon geträllert. Und es war nicht der summer of sixtynine).
- Rodrigo: 3 Takte aus Gitarrenkonzert.


Maxl der Woche:
- Natürlich wieder die Wahleinblendungen. Nach den Bildaussetzern
  vor ein paar Wochen gingen sie diesmal mit einem kurzzeitigem Ton-
  ausfall einher.

Infos:
- Frau Vogts Tocher Leonie hat Aids
- Marcella ist 16 Jahre alt
- Frau Vogt besitzt - genau wie Käthe - auch eine Ente (2CV)


Schmankerl/Zitate:
- Hajo liest die Vorschläge zum Hochzeitsmenü: 
  "'Limonensorbet' ... Ist das jetzt Zitroneneis?"
- Hajo ist einfach süß, in seinen leichten Anflügen von Eifersucht.
- Süß aber auch Giovanna, die Marcellas Gerede vom "Hauseinbruch" 
  wie auf einer Stellprobe korrigiert. Trotzdem blieb es drin und
  wirkte gerade deswegen so echt: "Hausfriedensbruch heißt das."

Kommentare:
- Dass das Drehbuch von HWG stammt und nicht mehr von Joachim
  Friedmann, merkt man gleich positiv daran, dass die Lindenstraße
  nicht mit den üblichen Beimer-Zenkerschen Morgenszenarien beginnt.
- HWGs Äußerungen in der Öffentlichkeit außerhalb der Offiziellen haben
  in letzter Zeit etwas von Wandmalereien mit Teufelmotiv. Zuletzt
  die Aussage, man sei keine Nackte-Hintern-Serie. Prompt gibt es
  reichlich nackte Hintern. Jetzt zwei durchgeknallte Teenies, grad
  nachdem HWG der TVmovie gegenüber äußerte:
  "Es nützt nichts, z.B. drei Rollen für 14jährige zu erfinden, 
  nur um pseudo-hip zu sein."
  Wie wahr, wie wahr. Da sind sogar schon zwei Rollen zuviel.
  Mit diesen nervigen Gören erreicht man kein junges Publikum. 
  Die Alten vergrault man und entläßt sie mit einem seltsam verzerrten 
  Jugendbild.
- Die Dialoge waren zum Teil zum Davonlaufen. Furchtbar hölzern,
  platt, stereotyp. Auch unverständlich und widersprüchlich.
- Story Heiko/Ex-DDR: Welch Plattitüden und Klischees:  Da wird so getan, 
  als ob der Mittzwanziger Heiko jahrzehntelang in der DDR Improvi-
  sationstalent habe beweisen müssen. Mit diesen Bei-Euch/bei-uns-
  Geschichten baut HWG doch eine Mauer auf, die es so schon lange nicht
  mehr gibt. Als ob "Ossis" ständig von den "Wessis" auf ihre Herkunft
  aufmerksam gemacht würden (wie Heiko von Frau Vogt oder später auch 
  wieder von Käthe). 
  Diese Art der Aufarbeitung des deutsch-deutschen Zusammenwachsens ist 
  nicht zeitgemäß und geht meilenweit an der Realität vorbei. So etwas 
  wollen weder Ossis noch Wessis sehen. Die Lindenstraße ist die einzige, 
  die Leute noch so stigmatisiert. Und die will Vorurteile abbauen? 
  Da darf man gar nicht an den Anspruch denken, den HWG laut Kolumne 
  mit der Ostrolle verknüpft... Bisher sieht man nur einen netten Jungen 
  aus dem Osten, der bei jeder Gelegenheit auf seine Herkunft 
  angesprochen wird, obwohl es dazu gar keinen Anlass gibt und
  der bei jeder Gelegenheit für billige Reparaturen herhalten muss (siehe
  Rosis durchgeknallte Sicherungen, Käthes Auto mit Startschwierigkeiten,
  sowie die Theatermusikanlage.) Es ist wirklich nicht einzuverstehen, 
  dass diese Rolle so viel Zeit für ihre Entwicklung gebraucht hat, 
  wie HWG in seiner Kolumne Glauben machen will.
  (Siehe: http://www.lindenstrasse.de/talk/hwgwk/020799.html) Von einem 
  Brückenschlag in den Osten mal ganz zu schweigen. Aber das erzähle ich
  nun auch schon seit einem Vierteljahr. Das langweilt mich sowie die
  Leser (mit und ohne -schaft). Von hehren Zielen oder einer anspruchs-
  vollen Aufbereitung der Ostthematik kann jedenfalls keine Rede sein.
  Ein gutes Drehbuch zu diesem Thema sieht anders aus. 
  Letztlich ist es wohl nur der, nicht sonderlich durchdachte Versuch, 
  die Ostquote etwas nach oben drücken zu wollen. (Dafür spricht ja auch die 2 
  Mio. Mark teure Osttournee).
- Schön, dass HWG durch seine Bücher immer wieder auch die alte 
  Lindenstraße atmen lässt. Oft nur Kleinigkeiten, aber gerade die
  bilden den serie-llen Zucker: 
  Berta gibt endlich wieder mal Klavierunterricht. Prima!
  Und wie lange warten wir darauf, dass Hajos Farbenblindheit endlich
  einmal nicht nur erwähnt wird, sondern auch zum Tragen kommt!
  Dazu noch diese nette Bemerkung Bertas: "Alle Welt weiß, dass Du 
  farbenblind bist", die natürlich auch die Welt der Fans einbezieht.
  Dass HWG bei diesen Reminiszen(z)en ein paar Fehler unterlaufen sind, 
  ruft weiter unten zwar meine Chronistenpflicht auf den Plan, tut der 
  Sache aber keinen Abbruch. Ich fand die Folge große Klasse, bis zu dem
  Moment, wo Pedro darauf besteht, Bertas Hochzeitskleid zu bezahlen und
  hierzu ein fettes Bündel Geldscheine aus der Hosentasche zieht. 
  Da war's schlagartig und endgültig aus. 
  Man braucht das gar nicht en detail zu diskutieren. HWG, der laut 
  SPIEGEL "lange Zeit im Jahr nicht gerade als Armer im Ausland lebt", 
  hat anscheinend wirklich den Bezug zum Geld verloren. (Das wurde
  ja bereits in der Vorwoche mehrfach von mir moneyiert).
  Da muss ein bettelarmer Manoel seine Farm verkaufen, hat kein Geld,
  um zur Hochzeit seiner Mutter zu kommen (vielleicht der letzten in 
  ihrem Leben), engagiert stattdessen einen Mexikantenstadel (inklusive 
  Flug, exklusive Übernachtung?), dessen Gitarrist nichts besseres zu 
  tun hat als Berta 3000 Mark für ein Hochzeitskleid zu geben?
  Nein, nein, nein, diese Suppe ess ich nicht!
- Wenn man sich diese gesamte, unsägliche Mexikaner-Story ansieht,
  hätte man vielleich doch stattdessen lieber Marcel Kommissin fragen 
  sollen, ob er nicht nochmal für eine Folge den Manoel spielen will. 
  Dass dies nicht geschehen ist, lässt bezüglich der Hochzeit noch
  einiges erahnen.

     
Was die Welt bewegte (Fan-Kommentare):
- zwischendurch fast eingepennt.
- über gestern breiten wir lieber den Mantel des Schweigens
- Verkrampft, angestrengt und mühsam. Und außerdem: gääääähn....
- noch so eine Folge und ich geb's endgültig auf!
- schloss sich nahtlos an die letzten mir bekannten Folgen an... 
- Weiss nicht, wie sie SOO NEUE Zuschauer gewinnen wollen... 
- es gibt bald wirklich keinen Grund mehr, am Sonntag um die Zeit 
  zuhause zu sein..
- was soll man da noch sagen!?
- grauenhaft, schlecht und bloed.
- ziemlich konfus und unlogisch
- uninteressant, langweilig, nicht nachvollziehbar
- echt für die Nüsse
- überlege ernsthaft, ob ich's denn nun weiter anschaue.
- überlege mir wirklich damit aufzuhören.
- ich habe ernsthaft ueberlegt, es den drei Mio. Zuschauern 
  gleichzutun und beim naechsten mal auszuschalten.
- Die laufenden Folgen werde ich mir nicht mehr ansehen.
- noch so eine Folge und ich geb's endgültig auf!
- Wem gefällt die Serie eigentlich noch?
- einzige Katastrophe
- Schlimmer gehts nimmer.
- Fortschreiten des Niedergangs
- Das Interview mit HWG aus der TVmovie wirkt da ja wie die 
  reinste Realsatire.

- Es gab aber auch kritische Stimmen:
  Anstatt angefangene, überreife Handlungsstränge endlich fortzuführen, 
  drückt man uns ein Rudel schiacher Lärmmexikaner und ein dröges 
  Kindertheater aufs Auge bzw. Ohr und lässt uns am postpupertären 
  Gehampel zweier Italoteens teilhaben, deren Schauspielkünste so 
  überzeugend sind wie der Wahlkampf der sächsichen SPD. Ein äußerst 
  virulenter Hirnschwurbel scheint die Macher des Gewürges heimzusuchen.
  [Hamlet]

Um keinen falschen Eindruck zu erwecken, die obigen Fanmeinungen
sind nicht das Resultat einer einseitigen Auslese, sondern Exempel
einer einhellig verkündeten Unzufriedenheit. Zwar schauen die Fans
die Serie noch. Die Drohung, die Lindenstraße einzustellen, wenn der 
Zuschauer trotz des Engagments nicht mehr schaue, greift also noch nicht. 
Noch nicht. Aber noch nie gab es so viele Abtrünnwillige wie diesmal.
Ich weiß von vielen, dass für sie das schönste an der Lindenstraße meine 
Kommentare sind, aber:
ICH WILL NICHT DER LETZTE SEIN, DER DAS AUF "KLAREM ERFOLGSKURS"
SINKENDE SCHIFF VERLÄSST!
Also HWG: Die Serie sehen wir, aber das Engagement, das sehen wir nicht.

Horatio: Before it's time to Say Goodbye, vielleicht it's time for
another unterschriftensammlung?

[x] Ja, ich will mehr Engagement und bessere Folgen sehen

1.  Bossa Nossek
2.
3.
4.
5.

[to be continued] 

*** Nachtrag ***

Horatio hat dankenswerter Weise eine solche Unterschriftensammlung
ins Leben gerufen. Jeder kann sich eintragen unter:


http://www.creatures.org/listra/quote/index.html

Bitte nur ernstgemeinte Zuschriften!

*** ENDE Nachtrag ***



Videotext-Untertitel:
- Als Else im Treppenhaus die Mexikaner anwies, was Bayrisches zu
  spielen, nannte sie als Beispiel einen "Landler oder Marsch".
  Im Untertitel wurde aus dem Landler [= ländl. Tanz] ein 
  "Landauer" [= viersitziger Wagen mit niederklappbaren Verdecken].
  Ich hätte ja zu gern gehört, wie der in der Mariachi-Fassung geklungen hätte.

Seltsames, Ungereimtheiten, Fehler, Fragen, Bemerkungen:

- Irinalein, die in einer Szene von Urszula zum Bus gebracht wurde,
  ist entgegen einiger Vermutungen nicht ausgetauscht worden. 
  Die Darstellerin Karoline Dubberstein war bereits seit März 
  (Folge 694) einige Male zu sehen.
  Sie wurde aber das erste Mal im Abspann genannt.

- Einen Generalschlüssel nachmachen zu lassen, geht wohl auch nur in
  der Lindenstraße zu einfach. Mal ganz davon abgesehen, dass mir unklar
  ist, wieso Else a) überhaupt noch einen Generalschlüssel hat und b)
  die dazugehörigen Codekarte, wieso schleppt Else - um Himmels willen - 
  beides zusammen mit sich rum? Herrschaftszeiten!
- Else sagt, das Schlüsseletui hätte Pia angefertigt. Verstehe ich 
  nicht. Pia hatte damals ein paar Lederdessous aufgetrieben und Olaf
  gefragt, ob er so etwas herstellen könne. Sie selber kann sowas nicht.
  Ich glaube, HWG hat da was falsch verstanden, als er unter Pias 
  Persönlichkeitsprofil folgenden Eintrag fand: 
  "Versteht sich auf's Lederhandwerk".
- Von der - Zitat Else - "Codekarte, dem Schein und allem was da so 
  reinghört" war in dem Schlüsseletui aber nichts zu sehen. 
  Requisite - Übernehmen Sie!


- Schön, dass der Schulanfang eingebaut wurde, aber zu gerne hätte
  ich auch erfahren, wie der Urlaub von Marcella und Givoanna bei
  ihrer Mutter in Italien war.
- Frühstücksszene bei Varese:
  Paolo findet, dass Marcellas Rock zu kurz sei. Marcella wehrt sich:
  "Der Rock ist überhaupt nicht zu kurz, wenn ich mich bücke, reicht
  er mir bis zu den Knien." Während sie sich nach vorne bückt, um dies
  zu demonstrieren, ergänzt Paolo, was der Zuschauer denkt, nämlich,
  dass man derweil hinten das Ende vom Götz-Zitat erblickt. Wäre witzig 
  gewesen, wenn sich dieses Kleinod deutscher Dichtung deutlicher im 
  rückwärtigen Fernseher gespiegelt hätte. (Der scheint ja extra 
  deswegen einen Platz in der Küche bekommen zu haben).

- Es ist absolut unglaubwürdig, dass die mexikanischen Musiker ein
  Engagement auf dem Oktoberfest erhalten, dazu noch so kurzfristig.
  Wo in die Liste der diesjährigen Wiesn-Bands, die schon alle vor 
  langer Zeit engagiert wurden, sollen sich denn Pedros "Mariachi 
  Acapulco" einordnen?:

  Münchner Zwietracht 
  Bayerische Sieben
  Jamei
  Unterbrunner Blasmusik
  Original Plattlinger Isarspatzen
  Kirchdorfer Musi
  Niederalmer
  Alpen Yuppies
  Blechblos´n
  Bert Hansmaiers Heldensteiner
  Ludwig Thoma-Musikanten
  Blechblaskapelln unplugged
  Münchner Musikanten

  Mit "Cucu-Ru-Cucu" kommt man da jedenfalls nicht weit. 
  Wenn sie Pech haben nicht mal bis zum Notausgang.

- Wieso sagt Pedro, sie hätten ein Engagement für alle 8 Musiker
  bekommen, wo sie doch neun sind?
- Wieso fragt Berta nicht nach, ob die Jungs denn trotzdem noch auf 
  ihrer Hochzeit spielen werden, wenn Pedro von einem Engagement auf 
  dem Oktoberfest für die nächsten acht (!) Tage spricht?
- Noch viel unglaubwürdiger als das Engagement ist das Vorgagement für
  das Spielen auf dem Oktoberfest, zumal das Oktoberfest noch gar nicht
  begonnen hatte! Kein Wiesn-Wirt gibt einer wohnsitzlosen Mexikaner-
  Sippe ein Bündel Hunderter in der Hoffnung, dass sich diese ein paar
  Tage später auch wirklich einstellen. Aber selber Schuld, wenn ich
  der letzte bin, der an die Lindenstraße immer wieder einen Realitäts-
  anspruch anlegt. HWGs Verlautbarungen haben mich immer wieder so
  hoffen lassen. Die Realität sieht dann leider anders aus. Ich glaube,
  die Autoren selber haben diesen Anspruch schon lange aufgegeben.
- Weiteres Ärgernis: es ist schon meilenweit über der Glaubwürdigkeits-
  grenze, dass jemand 9 Mexikonen eine Woche lang in der Küche campieren
  lässt, aber gut, so sind halt die Zwänge der Dramaturgie. Aber dann
  noch als Ausrede zu bringen, die Truppe hätte jetzt erst, genau nach
  einer Woche, das Geld für eine Pension zusammen, ist doch Schwachfug. 
  Entweder spielt man jeden Tag in der Fuzo soviel zusammen, dass man 
  sich abends eine  Pension leisten kann, oder man bleibt lieber gleich 
  nah der Heimat. (Immer noch die unbeantwortete Frage, wieso die Truppe
  zwei Wochen vor der Hochzeit kam, wo sie doch angeblich ein Hochzeits-
  geschenk von Manoel waren!?)
- Das Kleid: Erst will Hajo es nicht, dann soll nur der Hut umgetauscht 
  werden, später dann doch wieder das Kleid. Was denn nun? Für den 
  Zuschauer ist das doch nicht nachvollziehbar. Irgendwie hat man das
  Gefühl, dass sich der Autor sein eigenes Drehbuch nicht mal mehr
  durchgelesen hat.
- Ein Hochzeitskleid, das auch in schwarz sehr schön sein soll.
  Hochzeitskleid in schwarz? Nein, Danke!
- Schön, dass Hajos Farbenblindheit eingebaut wurde. Prinzipiell
  eine prima Angelegenheit. Nur die Umsetzung hat mir nicht sonderlich
  gefallen. Zum einem waren die Dialoge schlecht, zum anderen blieb
  die Logik auf Strecke. Leider ist nicht bekannt, welche
  Farbwahrnehmungsstörung Hajo hat. Sein Ausspruch:
  "Ich bin ja wirklich blind mit den Farben" könnte implizieren,
  dass er für Farben generell blind ist, also nur Schwarz/Weiss sehen
  kann. Dies ist aber zum einem sehr, sehr selten (und damit un-
  wahrscheinlich), zum anderen wäre das Kleid für ihn dann sowieso
  schwarz gewesen, er wäre gar nicht in der Lage, etwas am Farbton
  auszusetzen und es wäre natürlich völliger Unsinn gewesen, das Kleid
  gegen ein schwarzes zu tauschen, da es für ihn sowieso schon schwarz
  war. Sein Ausspruch war dann wohl doch eher nur eine missglückte
  Drehbuchphrase, ein wirklich auf einem Farbkanal Blinder würde nie so 
  von seiner Krankheit reden. Bleibt also Protanopie (Rotblindheit)
  oder Deuteranopie (Grünblindheit). Diese beiden bilden die Gruppe
  der Rot-Grün-Blinden, genetisch bedingt bei Männern häufiger anzu-
  treffen. (Blaublindheit kommt dagegen nur in sehr seltenen Fällen
  vor). Ich habe mal versucht, darzustellen, wie in solchen
  Fällen das Hochzeitskleid für den Betrachter ausgesehen haben mag.
  Siehe folgendes Bild:

  
  
  (Das Bild soll nur einen ungefähren Eindruck ermitteln, 
  das Ergebnis der Summen- und Differenzenverrechnung der verschiedenen 
  Rezeptorkanäle ist in Wirklichkeit etwas komplexer als hier
  in der vereinfachten Darstellung.)

  Man sieht, dass für den Fall der häufig anzutreffenden Rotblind-
  heit, das Kleid schwarz erscheint, der Umtausch des roten Kleides
  gegen ein schwarzes wäre also Blödsinn. In den beiden anderen
  Fällen erscheint das Kleid unverändert in den Originalfarbtönen.
  Es ist also Unsinn, dass sich Hajo mit seiner Farbblindheit raus-
  redet.
- Hajo will Fausto als Hochzeitskoch nicht mehr. 
  Warum? Nachdem er ein Geheimnis mit ihm teilt, kann er den besten 
  Koch bestimmt zu günstigen Konditionen buchen. 
  Diese Übermoral passt auch nicht zu Hajo.
- Die Mexikaner ziehen mit Caramba aus dem Haus: Erst bewegt sich Else 
  beswingt zur Musik, um sich gleich danach über das unbayrische Kultur-
  gut zu beschweren. Genauso inkonsequent wie letzte Folge Onkel Franz. 
- Die Morgenstimmung auf der mexikanischen Hochebene (1. Stock) mit 
  einem genervten Hajo kam gut rüber.
- Schön, dass Berta mal wieder Klavierunterricht gibt. Aber 
  ausgerechnet eine Woche vor ihrer Hochzeit, wo sie so im
  Stress ist, dass sie morgens zu spät zur Arbeit kommt und nicht
  mal die Zeit findet, mit Hajo das Hochzeitsmenu zu besprechen?
  Kleiderkauf, Anprobe und Klavierunterricht fanden wohl in der 
  (sehr langen) Mittagspause statt. Als dann noch Pedro kommt,
  ist es schon nach fünf Uhr, da hätte Berta aber schon wieder
  in der Praxis sein müssen (Abendsprechstunde)! 

- Story Felix/Leonie/Frau Vogt: Auch hier ist das Drehbuch äußerst 
  schlecht: Tröpfchenweise bekommt der Zuschauer Informationen, die in 
  holprige Dialoge gebettet sind: Als Frau Vogt zusammenbricht, fragt 
  Käthe zielgerichtet nach ihrer Tochter, am Abend weiß er dann sogar, 
  bei wem sich Leonie angesteckt hat, nämlich "bei einem bisexuellen 
  Schweden". Erst weicht Frau Vogt Käthes Fragen aus, dann soll sie 
  diese intimen Details preisgegeben haben? Das ist alles nicht nur 
  unglaubwürdig, sondern auch sinnlos. Aids betrifft jeden, da spielt 
  es doch keine Rolle, wer Leonie angesteckt hat. 
- Lob dagegen an die Maske, Frau Vogt sah wirklich bleich aus. 
  Da wurde sogar Michael Jackson blass vor Neid und 
  Jeder denkt, die ist perdü!
  Aber nein! - Noch leben Sie!
- Wieso hat Käthe mit den vielen Requisitenkoffern bei Heiko Zwischen-
  station gemacht? Bugsiert die Teile sogar alle aus dem Aufzug, anstatt
  die ganze Fuhre erstmal ins Erdgeschoss runterzuliften. Und noch
  blöder: Wieso trägt Andy die Sachen dann noch zwei Stockwerke runter,
  anstatt den Fahrstuhl zu benutzen?
- Das Kindertheater war unsäglich. Mal ganz abgesehen davon, dass
  der Einlassbereich des Theaters eher aussah wie die Fahrzeughalle
  des WDR, so kann uns doch niemand glauben machen, dass es sich hier
  um den Premierentag handeln sollte. Wieso werden da erst auf den 
  letzten Drücker die Requisiten rangeschleppt, wieso ist die 
  Musikanlage noch nicht installiert, wieso probt im Hintergrund 
  minutenlang eine Darstellerin, die nicht über "Ja, Ähm, Äh, Ja, 
  Ach so" hinauskommt? Was haben die eigentlich bei der Generalprobe
  gemacht? Waren die da alle Pizza essen?
- Home, sweat home: Wieso hebt Käthe kistenweise Requisiten bei sich zu 
  Hause auf? Wieso repariert Heiko Theatermusikanlagen zu Hause?
- 12 Mark für Kindertheater ist zu teuer. Selbst für Münchnen.
- Eine Pinocchio-Kindervorstellung abends um sechs, unter der Woche,
  während der Schulzeit ist absolut an der Realität vorbei, aber 
  absolut. Um die Uhrzeit musste ich in dem Alter schon im Bett sein.
- [Kater Max, wegen der Stuhlpatenschaften: es waren einige Stühle 
  vorhanden. Stellenweise aber auch nur Sitzkissen. Die Stühle waren
  wohl denen vorbehalten, die für 400 Mark per anno eine Stuhlpaten-
  schaft übernommen hatten. Der Rest saß auf Betonpodesten. Das mit
  den 80 Plätzen kam übrigens halbwegs hin.]
- Fazit: Desolate Organisation, hohe Preise, ungünstiger Aufführungstermin,
  mangelnder Komfort und eine Inszenierung, die kein Kind hinter der
  Glotze vorlockt. Käthe sollte vielleicht mal da die Ursachen für
  die prekäre Lage seines Theaters suchen, anstatt am Premierentag 
  mit den Proben und dem Kulissenbau (Blauer Himmel aus Carstens 
  Satin) zu beginnen.
- Apropos blauer Satin:
  Doch, doch, Carstens Satin wurde tatsächlich eingebaut. Ich bin
  in der glücklichen Lage, über einen Original-Kulissen-Entwurf zu 
  verfügen, den mir eine gute Seele aus dem Papierkorb der Bühnenbildner
  zuspielte. (Danke, Else!)
  Seht bitte:
  

  [Cantra, mit einem textbasierten Browser kommst Du da nicht mehr weit.]
  Auffällig zum einem, wie stark diese Szene dem berühmten Gemälde 
  von PROCURA HAREM mit dem Titel "Nights In Blue Satin" nachempfunden
  ist, seltsam zum anderem, wieso ausgerechnet in Pinocchio eine
  Pickelhaube vorkommt. Der Sieger des Bill-Mockridge-Lookalike kommt 
  mir vor wie Wachtmeister Dimpfelmoser im falschen Stück!
- Apropos blauer Satin, da gabs noch einen dicken Fehler.
  Käthe hat sich Carstens Satin vom Bett gemopst. Okay, wenn man
  mal davon absieht, dass sie noch in der Nacht darin geschlafen
  haben. Dann kommt Frau Vogt, ohnmachtet und wird aufs Bett verfrachtet.
  Vom fehlenden Satin ist nichts zu sehen, denn eine riesige Tagesdecke 
  überspannt das Bett. Es gibt wohl kaum einen Grund, warum Käthe mit 
  Frau Vogt diese Decke noch entfernt haben sollte, bevor sie zur
  Premiere aufbrechen.
  Als jedoch Carsten nach Hause kommt, fehlt die Tagesdecke!
  Das blanke Bett führt zum blanken Entsetzen, nicht nur bei Carsten
  ("Wo ist mein blauer Satin?"), sondern auch beim Zuschauer ("Wo ist
  die Tagesdecke?"). Ein dicker Klops. Manchmal hat man das Gefühl,
  J. Chr. Huth hätte bei seinem Abgang das halbe Team mitgenommen,
  welches bis jetzt noch nicht ersetzt wurde.
- Ich traue es mich fast nicht zu sagen, aber wenn man an der Theater-
  kasse drei Karten auf seinen Namen verlangt, dann sollte man doch 
  meinen, dass man zurückgelegte Karten bekommt. Hier waren die Karten
  aber ganz schön von der Rolle, und zwar von der berühmten 
  Becker-Billet-Hamburg-Rolle.
- Heiko, unseren "netten Jungen aus dem Osten" hat man in weiser
  Voraussicht ein Berufsprofil verpasst. Er ist gelernter Elektriker
  und praktizierender Beleuchter. Nun lässt man ihn auch noch eine
  Musikanlage reparieren. Nun gut, hat auch mit Elektrik zu tun.
  Dass er dies so gut könne, rechtfertigt Heiko dann aber ausgerechnet
  damit, dass die *Mechanik* doch überall diesselbe sei. 



Fazit:
- Nach all den Debatten um die Qualität der Lindenstraße und all
  den Verlautbarungen HWGs, hätte man als Goodwill doch etwas mehr
  erwarten dürfen. Leider werden die Fans mit Statements abgespeist,
  die letztlich nicht standhalten. Das enttäuscht mehr als mangelnde
  Qualitität oder schlechte Quote.


Autoren: BoNo, Andreas, Leonardo da Winki-Winki (Grafiken)
nossek@creatures.org


Nachlese: 
- Wolf sagt, hinter der verschlossenen Türe in Isoldes Flur, die 
  eigentlich ins Treppenhaus führt, befindet sich Isoldes Küche. 
  (Siehe Ziffer (5) in der Skizze zum letzten Kommentar. Was in der Skizze
  "Küche" genannt wird, ist lediglich das Esszimmer).
  

- Nachdem Hajo Fausto in Flagranti (oder wie immer das Mädel hieß) 
  erwischt hat, gibt er Isolde gegenüber als Ausrede dafür an, dass er 
  sie solange vor der Wohnungstüre hat warten lassen, weil er dringend
  auf Toilette gemusst hätte.
  Daraufhin Isolde: "Das ist doch kein Akt". Nah dran, Isolde.




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[Release 2.1]